Reverse/ Lifetime Mortgages

Bei einer Reverse Mortgage bzw. Lifetime Mortgage handelt es sich um ein Kreditgeschäft, genauer um ein Hypothekendarlehen oder auch Immobilienkredit. Während der Kreditnehmer bei einem herkömmlichen Kredit jeden Monat eine Ratenzahlung für Zinsen und Tilgung leisten muss, entfällt diese Rate bei einer Lifetime Mortgage. Die Laufzeit des Kredits ist an das Leben des Kreditnehmers gekoppelt (Lifetime bedeutet soviel wie "ein Leben lang" oder "auf Lebenszeiten"). Erst wenn er verstirbt, werden der Schuldbetrag sowie die Zinsen fällig und müssen zurückbezahlt werden.

Der Wohneigentümer verwendet dabei seine Immobilie als Sicherheit, die der Kreditgeber ggf. verwertet. Allerdings ist es international üblich, dass zuerst die Hinterbliebenen entscheiden dürfen, ob sie das Darlehen tilgen, bspw. um selbst in das Haus einzuziehen. Grundsätzlich kommen alle Immobilienformen in Frage, insbesondere Ein- oder Mehrfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Reihenhäuser.

Eine Lifetime Mortgage kehrt den Prozess eines herkömmlichen Hypothekendarlehens um (daher auch Reverse Mortgage). Bei einem herkömmlichen Hypothekardarlehen verwendet der Kreditnehmer laufendes Einkommen, um den Kredit abzubezahlen. Das laufenden Einkommen wird dabei in Eigenkapital transformiert, denn mit jeder Tilgung sinkt der Fremdkapitalanteil und steigt der Eigenkapitalanteil an der Immobilie (siehe Abbildung). Bei einer Lifetime Mortgage wandelt der Wohneigentümer hingegen das angesparte und in der Immobilie gebundene Kapital wieder in Einkommen um. Außerdem erhöht sich bei der Lifetime Mortgage - im Gegensatz zum herkömmlichen Kreditgeschäft - mit der Zeit der Fremdkapitalanteil, während der Eigenkapitalanteil sinkt. Daher spricht man auch vom "Entsparen".

RMs Funktionsweise

 

Welche Auszahlungsformen existieren?

In welcher Fom der Kreditnehmer den Kreditbetrag ausbezahlt erhält, hängt von den Auszahlungsformen ab, die der Anbieter vorsieht. Naheliegend ist die Einmalzahlung, bei der der Kunde den Kreditbetrag in einer Summe direkt bei Abschluss erhält. Diese Variante ist besonders hilfreich, wenn der Kunde Geld für größere Ausgaben benötigt. Sofern er sein regelmäßiges Einkommen aufbessern möchte, bietet sich eine Rentenzahlung an. Zu unterscheiden sind die Leibrente und die Zeitrente. Bei der Leibrente erhält der Kunde die Rentenzahlungen bis zu seinem Tod (Leibrente meint hier nicht dasselbe wie der Immobilienverkauf gegen eine Leibrente; lediglich die Auszahlungsweisen entsprechen sich bei beiden Instrumenten). Bei der Zeitrente zahlt der Anbieter den Kreditbetrag über einen bestimmten Zeitraum aus, bspw. 10 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeitspanne erhält der Kunde jedoch kein Geld mehr - wegen dieser zeitlichen Befristung sind die Rentenzahlungen höher als bei der Leibrente.

Die flexibelste Auszahlungsform ist die Kreditlinie. Bei ihr kann der Kunde frei entscheiden, wann und in welcher Höhe er Gelder benötigt. Der Anbieter bestimmt dabei einen maximalen Kreditbetrag und richtet dem Kunden eine Art Dispo-Kredit ein. Diesen kann er solange in Anspruch nehmen, bis er völlig ausgeschöpft ist. Selbstverständlich zahlt er nur Zinsen auf die tatsächlich abgerufenen Beträge. Anders als bei einem Dispo-Kredit muss der Kunde aber die ausgeliehenen Beträge nicht schnellstmöglich wieder zurückbezahlen; die Summe aller "Abhebungen" werden zzgl. Zinsen erst bei seinem Tod fällig.

Prinzipiell könnte ein Kunde auch selbst eine solche Kreditlinie aufbauen, indem er mehrere Einmalzahlungen beantragt. Dies ist jedoch teuer und umständlich. Die internationalen Entwicklungen belegen, dass die Kreditlinie (auch Drawdown genannt) in allen Ländern immer beliebter wird. Insbesondere kann der Kunde immer dann auf die Kreditlinie zurückgreifen, wenn er tatsächlich Geld benötigt. Außerdem erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass bei Fälligkeit noch Immobilienkapital übrig bleibt, das vererbt werden kann. Für den Anbieter ist dies ebenfalls von Vorteil: das Verlustrisiko ist ebenfalls geringer, da die Immobilie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen größeren Wert als der Kreditbetrag besitzt.

Es gab bzw. gibt noch verschiedene Varianten bei den Auszahlungsformen. So sind Kombinationen aus den bereits genannten Formen denkbar, bspw. aus einer kleineren Einmalzahlung und einer Zeitrente. Eine Variante sieht vor, den Einmalbetrag zum Kauf einer Leibrente bei einer Versicherung zu verwenden (sog. Reverse Annuity Morgages). In Großbritannien waren in diesem Zusammenhang Home Income Plans verbreitet. Hier wurden die Rentenzahlungen zuerst zur Bezahlung der laufenden Zinsen verwendet, die Restbeträge erhielt der Kunde.

 

Wer kann eine Lifetime Mortgage abschließen? 

Als Zielgruppe für Lifetime Mortgages kommen in der Regel ältere Wohneigentümer ab ca. 60 Jahren in Frage. Jüngere Personen sind oftmals noch erwerbstätig, sodass kein Mittelbedarf besteht. Außerdem sind die Kreditbeträge umso geringer, je jünger der Kunde ist. Als Kreditnehmer können sowohl Einzelpersonen, als auch Paare auftreten.

 

Wie groß ist der verfügbare Kreditbetrag?

Da der Kreditbetrag zzgl. der Zinsen erst in der Zukunft und mitunter sehr spät zurückbezahlt wird, ist er kleiner als der aktuelle Immobilienwert. Die sogenannte Auszahlungsquote (AQ) setzt den maximalen anfänglichen Kreditbetrag ins Verhältnis zum aktuellen Immobilienwert. Eei einer AQ von 25% würde ein Wohneigentümer, dessen Eigenheim 200.000 EUR Wert ist, maximal 50.000 EUR bekommen.

Wie hoch diese Auszahlungsquote ist, das hängt vom Rechenmodell des Anbieters ab. Es gibt drei wesentliche Einflussdaktoren: das Alter des Kunden bzw. der Kunden bei Paaren, der Immobilienwert und die Verzinsung. Grundsätzlich lassen sich folgende Wirkungszusammenhänge festmachen.

Je höher das Alter des Kunden, umso größer ist die AQ. Das leuchtet ein, da die Laufzeit vom Alter abhängt und umso kürzer ausfällt, je älter der Kunde ist. Der Anbieter muss daher weniger lange auf die Rückzahlung des Kredits warten.

Für den Immobilienwert gilt: Je höher der Wert des Objekts, umso größer ist die AQ. Da die Immobilie die Sicherheit darstellt, kann der Anbieter mehr Geld ausleihen. Anders ausgedrückt: je höher der Immobilienwert, umso geringer ist das Risiko, dass der Kreditbetrag irgendwann größer ist als der Wert des Objekts. Auch die erwartete Wertsteigerung spielt eine Rolle: je größer sie ist, umso höher kann der Kreditbetrag ausfallen.

Die Verzinsung wirkt ähnlich: Je höher die Verzinsung, umso kleiner fällt die AQ aus. Da der Kunde die Zinsen nicht laufend bezahlt, sondern erst bei Fälligkeit, wächst der gesamte Zinsbetrag über die Laufzeit an. Und er wächst umso schneller, je höher die Verzinsung ist. Da der Anbieter vermeiden will, dass der Gesambetrag der Zinsen plus Kreditbetrag den Immobilienwert übersteigen, gewährt er bei relativ hoher Verzinsung nur relativ kleiner Kredite.

 

Welchen Betrag muss der Kreditnehmer zurückbezahlen? 

Ausgehend von dem einfachen Fall der Einmalzahlung erhält der Kunde heute einen bestimmten Kreditbetrag. Diesen muss er bei Fälligkeit zurückbezahlen zzgl. der aufgelaufenen Zinsen und Zinseszinsen. Eigentlich fallen jeden Monat Zinszahlungen an, da der Kreditnehmer diese aber nicht leistet, fallen auch Zinsen auf diese Zinsen an (Zinseszinsen). Dies ist legitim, da der Anbieter auf diese Zahlungen verzichtet.

Bei der Rückzahlung des Kredits ist von zentraler Bedeutung, ob das Produkt einen Überschuldungsverzicht bietet. Es kann passieren, dass der Kreditbetrag plus Zinsen (und Zinseszinsen) eines Tages den Wert der Immobilie übersteigt. Wenn der Anbieter einen Überschuldungsverzicht gewährt, trägt er diese Verluste - der Kunde schuldet dem Anbieter maximaln den Immobilienwert. Durch den Eintritt der Überschuldung wird auch der Kredit nicht fällig, der Kunde kann weiterhin in der Immobilie wohnen bleiben. 

 

Rechenbeispiel

Ein Rechenbeispiel sollte helfen, die Vorgänge deutlich zu machen. Nehmen wir an, der Immobilienwert beträgt 250.000 EUR und der Kunde ist eine 70-jährige Frau. Bei einer beispielhaften Auszahlungsquote von 30% würde die Kunden einen Einmalzahlung von 75.000 EUR erhalten. Es wird angenommen, dass der Immobilienwert um 2% pro Jahr anwächst, während die Verzinsung 6% beträgt. Nach zehn Jahren würde der gesamte Kreditbetrag inkl. aller Zinsen 134.314 EUR betragen und die Immobilie hätte einen Wert von EUR 304.749 EUR, der für die Deckung des Kredits ausreichend wäre (siehe Abbildung). Wenn die Annahmen sich tatsächlich einstellen, dann dürfte eine Überschuldung erst nach 31,5 Jahren eintreten, d.h.im Alter von ca. 102 Jahren.  

bsp

Diese Zahlen sind fiktiv! Es handelt es sich ausdrücklich nicht um ein tatsächlich existierendes Produkt - ganz besonders nicht um ein deutsches Produkt. Ob die Zahlen in der Praxis höher oder niedriger ausfallen, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Produkt, dass höhere Auszahlungsquoten bietet, ist nicht zwangsweise besser - auch diese Einschätzung hängt von vielen Faktoren ab!

 

Worin besteht der Unterschied zwischen einer Reverse Mortgage und einer Lifetime Mortgage?

Es gibt gar keinen! Es sind zwei Begriffe für die gleichen Finanzprodukte. Der Begriff der Reverse Mortgage stammt aus den USA, während Lifetime Mortgage in den anderen englischsprachigen Ländern geläufiger ist. In Europa und auch in Deutschland verwendet man etwas häufiger die Bezeichnung Reverse Mortgage - da ein Immobiliendarlehen unabhängig vom Alter "umgekehrt" werden kann, trifft die Lifetime Mortgage die Zielgruppe älterer Wohneigentümer etwas besser. 

 

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